Studientag in Regensburg am 9. Mai 2022

Studientag "Jakobsweg und europäische Identität" in Regensburg

Am Montag, den 9. Mai 2022, fand in den Räumen des Bischöflichen Priesterseminars der internationale Studientag zum Thema "Jakobsweg und europäische Identiät" statt. Er bot hochkarätige Referenten, facettenreiche Vorträge und spannende Diskussionen rund um das Pilgern zum Apostelgrab nach Santiago de Compostela!

Der Studientag wurde veranstaltet von der KEB im Bistum Regensburg in Kooperation mit einer Vielzahl internationaler Freunde und Partner: eine weltweite Vernetzung von europäischen Bildungsakteuren - ganz im Sinne des Jakobsweges.

Eine Teilnahme war sowohl in Präsenz möglich als auch online über unseren YouTube-Livestream https://youtu.be/eSOenxYRTNY


                                                   Projektförderung durch die Stadt Regensburg

Geplanter Programmablauf:

9.00-10.15 Uhr
 

 

10.30-11.15 Uhr
 

 

11.30-12.15 Uhr

 

 

 

 

 

Begrüßung und Einführungsvortrag Prof. Dr. Klaus Herbers (Erlangen):
"Jerusalem - Spanien - Europa. Die vielen Facetten eines universalen Heiligenkultes"

Diskussion und Pause

Prof. Dr. Fernando López Alsina (Santiago de Compostela):
"Der europäische Weg der Franken"

Diskussion und Pause

Dr. Hermann Reidel (Regensburg):
"Das Regensburger Schottenkloster St. Jakob, seine Geschichte
und seine europaweite Ausstrahlung"

Diskussion und Pause

Moderation:
Apl. Prof. Dr. Hubert Pöppel (Geschäftsführer des Forschungszentrum Spaniens -
Universität Regensburg),
Gregor Tautz (KEB im Landkreis Kelheim) 

12.15-13.30 Uhr

Mittagspause

13.30-14.15 Uhr
 

 

 

15.00-15.45 Uhr

 

 

 

 

Prof. Dr. Albert Dietl (Regensburg):
"Die Kunstgeschichte in der Limousine. Der Yale-Professor Arthur Kingsley Porter tourt
1920 nach Santiago di Compostela."

Diskussion und Pause

Emil Mendyk (Freunde der Jakobswege in Polen):
"Camino de Santiago als 'Abendlandfahrt' der Mitteleuropäer -
Spezifik des Jakobspilgerns in und aus Polen"

Diskussion und Pause

Moderation:
Charlotte von Schelling (Projekt „Beyond Canon“ an der Universität Regensburg),
Renate Möllmann (Jakobs-Pilgerbegleiterin der KEB)

15.45-16.15 UhrPause

16.15-17.00 Uhr
 

 

 

17.00-17.45 Uhr

 

 

 

 

Prof. Dr. Harald Buchinger (Regensburg):
"Jakobus in der Liturgie - Biblische und außerkanonische Bezüge
zwischen lokaler Identität und universaler Bedeutung"

Diskussion 

Prof. Dr. Javier Gómez Montero (Kiel):
"Der Jakobsweg als identitätsstiftender Erinnerungsort Europas"

Diskussion und Pause

Moderation:
Prof. Dr. Klaus Unterburger (Kath. Theol. Fakultät der Universität Regensburg,
1. Vorsitzender KEB Regensburg-Stadt),
Pedro Álvarez Olañeta (Spanienzentrum der Universität Regensburg)

18.00-18.30 Uhr

 

 

Abschließende Diskussion in der Runde

Moderation:
Apl. Prof. Dr. Hubert Pöppel
Raphael Edert (Abteilung Katholische Erwachsenenbildung des Bistums Regensburg)

Die Referenten im Einzelnen:

Prof. Dr. Klaus Herbers

»Jerusalem – Spanien – Europa: Die vielen Facetten eines universalten Heiligenkultes«

Schon seit den ersten Nachrichten über den Jakobuskult wurde schnell deutlich, dass in Santiago zwar zunächst ein lokaler Kult entstanden war, die Dimensionen und Möglichkeiten aber viel umfassender waren. Der Vortrag nimmt die verschiedenen Bezüge vom Heiligen Land bis nach Europa in den Blick. Seit dem 12. Jahrhundert pilgerte Europa nach Compostela. Aber viel wichtiger als jede einzelne Pilgerfahrt war vielleicht, was diese Pilger weitererzählten, wie sich die Kultspuren in ganz Europa ausbreiteten: von der legendären Pilgerfahrt Karls des Großen über die Erzählungen vom Weg, die bald auch künstlerisch verarbeitet wurden. Der Rang des Zentrums als feste europäische Größe dokumentieren schließlich auch Reiseberichte des 15. Jahrhunderts, die im Vortrag abschließend thematisiert werden: der Bericht zur Reise des böhmischen Adeligen Lev von Rožmital und des Nürnberger Arztes Hieronymus Münzer.

Zur Person:
Professor Dr. Klaus Herbers war von 1998 bis 2019 Inhaber des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und ist dort weiterhin als Seniorprofessor aktiv. Er gilt als der führende Historiker zum Jakobsweg im deutschsprachigen Raum. Von 1987 bis 2017 war er Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen St. Jakobusgesellschaft und ist seit 2016 der Präsident dieser Gesellschaft. Seit 1994 ist er Mitglied im Komitee der europäischen Experten zum „Camino de Santiago“ mit Sitz in Spanien. Einer seiner Forschungsschwerpunkte im Rahmen von DFG-Projekten sind Fragen der Integration und Desintegration der Europäischen Kulturen und der kulturellen Identität.

 

Prof. Fernando López Alsina

»Der europäische Weg der Franken«

Die Verehrung des Apostels Jakobus mit einer Ausstrahlung weit über das heutige Galicien hinaus ist im lateinischen Westen schon vor der Gründung der Jakobuskirche um das Jahr 825 manifestiert. Forschungsergebnisse dazu werden in dem Vortrag präsentiert. Mit der Entdeckung des Grabes wird darüber hinaus die Möglichkeit der Pilgerfahrt "causa orationis" eröffnet. Ein einzelner Pilger macht noch keinen Jakobsweg. Trotz der unvermeidlichen Vielfalt der einzelnen Wege, die vom jeweiligen Wohnort ausgehen, kommen die Pilger auf ihrem Weg nach Compostela immer wieder auf dieselben Routen und Orte zurück. Der Schutz der wachsenden Zahl von Pilgern, die aus "Frankreich", "Italien" und "Deutschland" kamen, erklärt die erste Schutzmaßnahme im Jahr 1072. Von Südfrankreich bis zu den Pyrenäen und von den Pässen von Roncesvalles und Somport bis nach Santiago de Compostela kristallisierten sich festgelegte Routen heraus, die als "Jakobswege" bekannt wurden. Dieses Wegenetz wird schließlich zu einem europaweiten Phänomen, das sehr verschiedene Länder verbindet.  In Compostela bestimmt die Wallfahrt immer mehr das Bild der Stadt, die zum überragenden zentralen Ort der Erinnerung an den Apostel und seine Verehrung wird. Santiago mit dem Grab des Apostels übernimmt so seine Rolle als treibende Kraft der Jakobs-Verehrung und der Pilgerfahrt zum Grab des "Apostels des Westens".

Zur Person:
Fernando López Alsina ist Professor für mittelalterliche Geschichte an der Fakultät für Geographie und Geschichte der Universität von Santiago de Compostela. Er ist korrespondierendes Mitglied der deutschen St. Jakobus-Gesellschaft e.V. und ausgewiesener Experte für die Geschichte von Compostela. Seine zahlreiche Forschungsarbeiten sind nicht nur in Spanien veröffentlicht worden, sondern auch in Brüssel, Perugia, Braga und Tübingen. In seiner Dissertation etwa beschreibt López Alsina die Entwicklung des mittelalterlichen Santiago und skizziert dessen Wandlung vom Locus Santi Iacobi bis zur Konsolidierung als urbanes Zentrum.

Dr. Hermann Reidel

»Die Regensburger Schotten«

Im 11. Jahrhundert kamen benediktinische Wandermönche aus Irland auf ihrer Pilgerfahrt nach Rom oder ins Heilige Land nach Regensburg. Durch vermehrten Zuzug neuer Wandermönche wurde die anfängliche Niederlassung zu klein, so dass ein neues Kloster um 1100 vor dem westlichen Stadttor errichtet wurde. Die monastische Lebensweise überzeugte die Regensburger Bürger, die den irischen Mönchen in der Folge wertvolle Schenkungen zukommen ließen. Der Strom der Wandermönche schwoll so an, dass in Eichstätt, Erfurt, Kelheim, Konstanz, Memmingen, Nürnberg, Wien und Würzburg Filialklöster gegründet werden. Selbst in Kiew entstand ein Marienkloster, das allerdings nur bis zur Mongoleninvasion im Jahr 1242 Bestand hatte. Der benediktinische Verband der iro-schottischen Klöster wurde dabei durch den Abt des Regensburger Mutterklosters geleitet.

Schon in den ersten Jahrhunderten galt das Jakobskloster als Station für die Pilger nach Santiago. Vor allem im späten Mittelalter war es möglich, in einem Obergeschoss über der Westempore zu übernachten. Der Fund einer Pilgermuschel in einem Grab an der Klosterkirche weist auf einen Pilger hin, der offensichtlich auf der Rückreise seiner Pilgerfahrt in Regensburg verstorben ist. Bis zur Auflösung des Klosters im Jahre 1862 war das Schottenkloster St. Jakob Zentrum einer europäischen Glaubensvermittlung in hoher kultureller und künstlerischer Bedeutung.

Zur Person:
Der Kunsthistoriker Dr. Hermann Reidel war von 1981 bis 2016 Bischöflicher Konservator des Bistums Regenburg und ab 1986 zugleich auch Leiter der dortigen Kunstsammlungen. Auf diesem Hintergrund hat er sich immer wieder mit der Jakobskirche und der Geschichte des Schottenklosters St. Jakobus beschäftigt. Diesem Thema war auch eine Ausstellung in den Jahren 2005 und 2006 anlässlich des 800-jährigen Bestehens des Schottenkloster gewidmet, die seine Geschichte und europaweite Bedeutung vielfältig dargestellt hat.

Prof. Dr. Albert Dietl

»Die Kunstgeschichte in der Limousine. Der Yale-Professor Arthur Kingsley Porter tourt 1920 nach Santiago di Compostela.«
Im Jahr 1923 erschien mit Arthur Kingsley Porters Romanesque Sculpture of the Pilgrimage Roads das furiose kunsthistorische Grundlagenwerk, das die Wegenetze der Pilgerstraßen und die Mobilität der bildkünstlerischen Transfers aus der Erfahrung beschleunigter Distanzverkürzung des modernen Fortbewegungsmittels Automobil miteinander verknüpfte. Die Basis für das Buch legte die abenteuerliche Auto-Safari des amerikanischen Mediävisten und seiner Frau Lucy Wallace Porter nach Compostela 1920, deren moderne Fototechnik den Blick auf die Kunstwerke für Jahrzehnte prägte.

Zur Person:
Seit 2007 ist Albert Dietl Professor für Kunstgeschichte an der Universität Regensburg mit dem besonderen Aspekt „Bildkünste des Mittelalters“. Ein Schwerpunkt der wissenschaftlichen Tätigkeit von Prof. Dietl liegt in der Malerei und Plastik des gesamten Mittelalters von vorkarolingischer Zeit bis zur Spätgotik. Weitere Forschungsgebiete sind unter anderen die christliche und profane Ikonografie und die Kunst- und Künstlersoziologie des Mittelalters sowie die Verbindung von Bildkunst und Epigraphik.

Prof. Dr. Harald Buchinger

»Jakobus in der Liturgie - Biblische und außerkanonische Bezüge zwischen lokaler Identität und universaler Bedeutung«

Jakobus der Ältere illustriert wie kaum eine andere Gestalt die besondere Bedeutung der Verehrung herausragender Heiliger für die Identität bestimmter Ortskirchen, für ihre überregionalen Einflüsse und Interessenskonflikte. Der Vortrag untersucht das Bild des Apostels in den Texten seiner Feiern in den unterschiedlichen liturgischen Traditionen. Dabei wird nicht nur nach den biblischen und außerkanonischen Quellen gefragt, aus denen sich die liturgischen Texte speisen, sondern auch nach historischen Kontexten, Interessen und Konflikten. Ein Schwerpunkt wird dabei auf der Verdrängung der altspanischen Liturgie durch den römischen Ritus in seiner mittelalterlichen Gestalt sowie auf dem Wechselspiel zwischen überregionaler Vereinheitlichung und der Ausprägung lokaler Eigentradition liegen.

Zur Person:
Professor Dr. Harald Buchinger ist seit 2008 Professor für Liturgiewissenschaft an der Universität Regensburg und seit 2015 Lehrstuhlinhaber. Seit 2017 ist er Direktor der internationalen DFG-Forschungsgruppe „Jenseits des Kanons. Heterotopien religiöser Autorität im spätantiken Christentum“.  Forschungsschwerpunkte sind unter anderen die Jerusalemer Liturgie und ihr Einfluss in Ost und West sowie das Verhältnis von christlicher und jüdischer Liturgie. Auch interdisziplinäre Bezüge zwischen theologischen und geisteswissenschaftlichen Disziplinen sowie zur Kirchenmusik wecken sein besonderes Interesse. Gastprofessuren hatte er untern anderen in Jerusalem, Leuven, Lemberg und Yale.

Emil Mendyk

»Camino de Santiago als „Abendlandfahrt“ der Mitteleuropäer - Spezifik des Jakobspilgerns in und aus Polen«

Eine Exemplifizierung der Rolle des Westens ist – abgesehen von der rein religiösen Rolle – das Pilgern nach Santiago de Compostela. Weder Rom noch Jerusalem sind zu „mytischen“ Symbolen der Wanderschaft, des Pilgerns geworden, einer Suche nach dem Unbekannten aber doch Vermuteten. Diejenigen wiederum, die aus dem Westen zurückkamen – mit ihrer an der Atlantikküste gefundenen Muschel – galten (und gelten immer noch!) als die Weisen. Sie haben noch etwas anderes erlebt als die Weltenbummler, die „nur“ in 80 Tagen um die Welt gereist sind.

Meine These ist, dass die „Abendlandfahrt“ eines der Fundamente der Wiederbelebung des Pilgerns nach Santiago im (Mittel)Osten Europas im 21. Jahrhundert war.  Aus politischen Gründen konnten Länder wie Tschechien, Ungarn, Polen, das Baltikum aber auch die ostdeutschen Bundesländer an der Wiederbelebung von Camino de Santiago in den 1980ern nicht teilnehmen. Erst später, nach 2000 und der EU-Erweiterung 2004 gab es die Rahmenbedingungen, die eine enthusiastische Entwicklung ermöglicht haben. Darüber möchte ich berichten und mich aus naheliegenden Gründen auf der Situation in Polen konzentrieren, wo wir aktuell einen tiefgreifenden kulturellen und geistigen Wandel beobachten.

Zur Person:
Seit 2004 arbeitet Emil Mendyk ehrenamtlich an der Entwicklung der gegenwärtigen Jakobswege im (südwestlichen) Polen und der Wiederbelebung der Tradition des individuellen Pilgerns im Land mit. Er ist seit 2010 Vorsitzender des Vereins „Freunde der Jakobswege in Polen“ (Przyjaciele Dróg św. Jakuba w Polsce), mit dem er im internationalen Verein „Camino Europe“ aktiv ist.

Emil Mendyk ist im niederschlesischen Lauban geboren und hat an der Universität Warschau Philosophie studiert. Danach war er als Radiojournalist, als Reiseleiter, Berg- und Stadtführer in Niederschlesien und Sachsen tätig. Außerdem arbeitet er auch als Übersetzer und Dolmetscher. Seit kurzem ist er beim Landesamt für Archäologie Sachsen beschäftigt.

Prof. Javier Gómez Montero

»Der Jakobsweg als identitätsstiftender Erinnerungsort Europas«

Der Vortrag präsentiert den Jakobsweg als lebendigen und komplexen europäischen Erinnerungsort, der mit jeder neuen Generation neu gedacht- und durch die Kommunikationsmedien der Massengesellschaft neu geprägt wird.

Als Urbild Europas begriffen, stellt der Jakobsweg ein anthropologisches Gebilde außergewöhnlicher Dichte dar, welches die europäische Identität spiegelt und auch ein (Unter-)Bewusstsein Europas geprägt hat, indem es zugleich Form und Medium für die Begegnung unzähliger Menschen bzw. die Gemeinschaft vielzähliger Territorien, Sprachen, Traditionen und Werte ist.

Der Jakobsweg ist ferner ein Raum persönlicher Erfahrung heterotopischer und heterochronischer Qualität, in dem die Imagination einer Gemeinschaft und die Erinnerung möglich sind, was im Rahmen dieses Vortrags v.a. mit Hilfe literarischer Texte beschrieben wird.

Zur Person:
Dr. Javier Gómez Montero ist seit 2001 Lehrstuhlinhaber für Romanische Literaturwissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Direktor des dortigen Romanischen Seminars. Ein Schwerpunkt seiner Forschung ist der Jakobsweg unter kulturgeschichtlicher Perspektive. So war er 2010 bis 2012 Koordinator für Deutschland beim EU-Projekt „Cultural and Language Diversity on the Route of Santiago de Compostela“. Seine Homepage benennt die „Literarische Anthropologie des Jakobsweges“ als Thema mit zahlreichen Veröffentlichungen. 2002 war er Gastprofessor an der Universidad de Santiago de Compostela. Seit 2018 ist er Assoziiertes Mitglied des CRIMIC (Centre de Recherches Interdisciplinaires sur le Mondes Ibériques Contemporains) (Université Paris-Sorbonne).

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